Spiel um ein Schamhaar, um den gefeierten Muttertag, um die Riten der Familie. Der Tag, an dem wir uns nicht streiten, sondern lieb zueinander sind, vor allem zu Muttern. Aber das Schamhaar kommt quer. Ein besonders schönes Exemplar der Gattung -"ganz wenig gekräuselt, wie von der Sonne ausgebleicht"- stürzt eine kleine Muttertagsrunde in den Offenbarungseid. Wem gehört das ?corpus delicti?, das sich so unschuldig auf dem Kaffeetisch niedergelassen hat? Hat Papa mit dem Dienstmädchen, oder Sohn Gregor mit der Mutter, oder gar endlich wieder Papa mit Mama? Und die Frage, von wem es stammt, setzt eine Maschinerie des Familienmißvergnügens in Gang, an dessen Ende Eifersucht, Unterdrückung, Haß und Mißbrauch sich steigern, bis in den sexuell entfesselten Familienirrsinn.
Familie, Keimzelle des Staates, das letzte, was alles auffangen soll. Hier sind wir unter uns. Solange wir den Schein aufrecht erhalten, die Verletzungen zukleistern ist alles O.K. oder K.O.
Die Realität des absurden Theaters ist psychologischer Natur. Seine Szenen und Bilder sind nach außen projizierte Gemütszustände, Ängste, Träume u. innere Konflikte des Autors. Der Zuschauer sieht Handlungen, die ihm unmotiviert erscheinen. Charaktere, die sich dauernd ändern und oftmals sogar Ereignisse, die eindeutig den Bereich der rationalen Erfahrung übersteigen.
Die dramatische Spannung solcher Stücke unterscheidet sich grundsätzlich von der Spannung eines Dramas, in dem sich objektive Charaktere im Verlauf einer erzählten Handlung entwickeln.
Das Theater des Absurden arbeitet nicht mit intellektuellen Begriffen, sondern mit Bildern. Es benennt keine Probleme, noch liefert es irgendwelche eindeutigen Lösungen, die sich in Form einer Lektion verkünden ließen. Viele Stücke haben einen kreisförmigen Verlauf sie enden genau dort, wo sie angefangen haben. Entwicklung findet nicht statt.
Wilfried Happel, geboren 1965 in Nürnberg, Studium der Germanistik und Philosophie in Köln und Frankfurt. Dramaturg bei verschiedenen freien Theaterstücken. Lebt in Münnestadt und Berlin.
Fabian Kania: | Gregor |
Juliette Heim: | Justine |
Magret Engel-Rosendahl: | Mutter |
Tom Thomas: | Vater |
Musik: Farid Farjad
Bühne: Karlheinz Ott
Technik: Achim Schmidt
Fotografie: Ulrike Hölzinger-Deuscher
Regie: Marion Heim
Premiere: 16 Oktober 1998