Den "Faust" kann man ernst nehmen oder auch nicht. Man kann sich drüber lustig machen und ihn dennoch ernst nehmen. Man kann ihn für alt und langatmig halten und ihn dennoch frisch und spannend darbieten. Man kann ihn für zeitlos und erhaben halten und ihn dennoch langweilig und verstaubt darbieten. Der "Faust" ist ein Mach- und ein Meisterwerk, das nur machen kann, wer ein Meister ist. Künstlerisch gesehen ist der "Faust" toll, vom Unterhaltungswert her gesehen eher mau. Was also treibt eine junge, dynamische und erfolglose Theatertruppe dazu, den "Faust" zu machen, wo doch selbst Peter Stein versagte?
Ja, viele Fragen, wenig Antworten. Johannes Faust oder, wie er bei Goethe heisst, Heinrich Faust, ist ein armes Würstchen, das die Welt verstehen will und gleichzeitig in seinem armseligen Leben ein bisschen Spaß haben möchte. Durchaus zu verstehen. Mephistopheles, der dämonisch-teuflische, ist der, von dem man eigentlich nur weiss, dass man nichts von ihm weiss, der aber doch der Kriecher ist: er kriecht vor Gott, vor Faust und dem Bösen, ohne selbst wirklich das Böse zu sein. Gretchen, in der man nur schwer eine Frau entdecken kann, geschweige denn eine moderne Frau, schafft es immerhin, die berühmte Gretchenfrage zu stellen.
Goethe hat das alles, wie wir wissen, sein Leben lang beschäftigt. Und sein Leben währte lang, so dass er Zeit genug hatte, sich mit all dem zu beschäftigen: mit Jura, mit der Pfarrerstochter F. aus S., mit Architektur, mit Charlotte Buff, mit Lyrik, mit Charlotte von Stein, mit Politik und Naturwissenschaften (er entdeckte den menschlichen Zwischenkieferknochen und versuchte vergeblich die "Urpflanze" zu entdecken), mit Christiane Vulpius, mit der Antike und dem Theater, mit Marianne von Willemer, mit der Bekämpfung von Isaac Newtons Spektraltheorie und mit seiner Faszination zu jungen Frauen. Ein Wunder, dass solch ein hochgeistig gebildeter und allseits interessierter Erotomane berühmt wurde? Sicher nicht. Die übrigen Fragen müssen unbeantwortet bleiben.
Unsere Konzeption für "Faust" kann also nur heissen: noch mehr Fragen zu stellen und noch weniger Antworten darauf zu finden.
Jasmin Hörning
Lena Landrock
Carmen Weipert
Christoph Dornauf
Sebastian Hinz
Sven Kube
Licht:
André Meiburg
Ton:
Ingrid Oppenheim
Regie:
Sascha Weipert