Amokläufe, die sich in ihrer Aufzählung wie ein roter Faden durch das Stück ziehen, und die uns auch in erschreckend ähnlicher Regelmäßigkeit in den Nachrichten begegnen.
Zentrale Figur des Stückes ist Jens. Er nennt sich „Cold“. Er möchte echt sein. Er möchte präsent sein. Er möchte einzigartig sein. Aber in einer „Scheiß Karaoke Welt“, in der alles schon mal da war, kann er nichts tun, was nicht vor ihm schon mal jemand getan hat.
Minutiös plant er den Amoklauf an seiner Schule.
Das Stück lebt vom permanenten Perspektivwechsel: Der Zuschauer begleitet Jens auf der Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft und beobachtet seine Persönlichkeitsfindung im Spannungsfeld zwischen der Realität, ihrem medialen Abbild und seinen eigenen Wunschvorstellungen. Das Leben wird zu einer medialen Inszenierung, Anerkennung wird zum Lebensziel, „Cold“ wird nachvollziehbar.
Oft bedienen wir uns Stereotypen, um das Geschehene einzuordnen: Amokläufer sind Außenseiter, hören böse Musik, spielen gewaltverherrlichende Computerspiele. Schießereien passieren in Amerika. Terroristen haben einen Bart.
Für Schuldfragen und Erklärungen gibt es vorgefertigte Muster; das Geschehene wird dadurch einsortiert und abgehakt. Einzelheiten verschwimmen, wiederkehrende Ereignisse werden austauschbar, Antworten werden einfacher, wir stumpfen ab.
Oder ist das alles nur unser Schutzmechanismus vor Überforderung? Wieviel von all dem dürfen oder müssen wir an uns heranlassen? Und wen interessiert's?
In Good Morning, Boys and Girls wechselt Juli Zeh permanent die Zeit- und Erzählebenen, und verwischt dadurch geschickt die Grenzen zwischen Realität und Fiktion.
Die Inszenierung des Stücks legt bewusst Wert darauf, die Bilder, Zusammenhänge und Erklärungen im Kopf des Zuschauers entstehen zu lassen – um am Ende die jeweiligen Stereotypen und Denkmuster zu hinterfragen.
Neben ihrer literarischen Arbeit ist die promovierte Juristin auch durch ihr gesellschaftlich- politisches Engagement bekannt, die sich u.a. für die Themen Bürgerrechte, Datenschutz und Tierschutz einsetzt. Für die SPD nahm sie an der 13. Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten teil und wurde 2018 zur ehrenamtlichen Verfassungsrichterin des Landes Brandenburg gewählt.
Ihre Romane und Theaterstücke beschäftigen sich häufig mit juristischen oder gesellschaftsanalytischen Inhalten. Durch ihre situativen Beschreibungen und psychologischen Figurenzeichnungen erreicht sie, dass Leser wie Zuschauer sich unmittelbar in die Protagonisten der Handlungen einfühlen können. Schuldfragen oder Fragen nach dem „Warum?“ werden somit individuell in den Köpfen des Publikums entschieden.
Für ihr literarisches Werk wurde Juli Zeh vielfach ausgezeichnet; für ihr gesellschaftspolitisches Engagement erhielt sie 2018 das Bundesverdienstkreuz.
Regie: Jan Dittgen
Regieassistenz: Gregor Grewers
Support: Ole Bechtold
Produktion:
Ankunftshalle T/
jugend-kultur-kirche sankt peter
Aufführungsrechte beim Rowohlt Theater Verlag, Hamburg