Gastspiel: Ankunftshalle T

Good Morning, Boys and Girls

Schauspiel von Juli Zeh

Plakat
Good Morning, Boys and Girls konfrontiert den Zuschauer gleich zu Beginn mit den Fakten:

Amokläufe, die sich in ihrer Aufzählung wie ein roter Faden durch das Stück ziehen, und die uns auch in erschreckend ähnlicher Regelmäßigkeit in den Nachrichten begegnen.

Zentrale Figur des Stückes ist Jens. Er nennt sich „Cold“. Er möchte echt sein. Er möchte präsent sein. Er möchte einzigartig sein. Aber in einer „Scheiß Karaoke Welt“, in der alles schon mal da war, kann er nichts tun, was nicht vor ihm schon mal jemand getan hat.

Minutiös plant er den Amoklauf an seiner Schule.

Das Stück lebt vom permanenten Perspektivwechsel: Der Zuschauer begleitet Jens auf der Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft und beobachtet seine Persönlichkeitsfindung im Spannungsfeld zwischen der Realität, ihrem medialen Abbild und seinen eigenen Wunschvorstellungen. Das Leben wird zu einer medialen Inszenierung, Anerkennung wird zum Lebensziel, „Cold“ wird nachvollziehbar.

Die Inszenierung

Nahezu täglich erreichen uns Meldungen über Amokläufe, Schießereien oder Terroranschläge.

Oft bedienen wir uns Stereotypen, um das Geschehene einzuordnen: Amokläufer sind Außenseiter, hören böse Musik, spielen gewaltverherrlichende Computerspiele. Schießereien passieren in Amerika. Terroristen haben einen Bart.

Für Schuldfragen und Erklärungen gibt es vorgefertigte Muster; das Geschehene wird dadurch einsortiert und abgehakt. Einzelheiten verschwimmen, wiederkehrende Ereignisse werden austauschbar, Antworten werden einfacher, wir stumpfen ab.

Oder ist das alles nur unser Schutzmechanismus vor Überforderung? Wieviel von all dem dürfen oder müssen wir an uns heranlassen? Und wen interessiert's?

In Good Morning, Boys and Girls wechselt Juli Zeh permanent die Zeit- und Erzählebenen, und verwischt dadurch geschickt die Grenzen zwischen Realität und Fiktion.

Die Inszenierung des Stücks legt bewusst Wert darauf, die Bilder, Zusammenhänge und Erklärungen im Kopf des Zuschauers entstehen zu lassen – um am Ende die jeweiligen Stereotypen und Denkmuster zu hinterfragen.

Die Autorin

Juli Zeh zählt zu den meistgelesenen deutschen Autor/innen der Gegenwart. Bereits ihr Debütroman „Adler und Engel“ (2003) wurde zu einem internationalen Erfolg. Mit Romanen wie „Nullzeit“, „Leere Herzen“ und „Neujahr“ sicherte sie sich in den vergangenen Jahren einen festen Platz in den Bestsellerlisten. Ihr Roman „Unterleuten“ (2016) wurde für das ZDF mit Staraufgebot verfilmt, und wird im März 2020 als Mehrteiler ausgestrahlt.

Neben ihrer literarischen Arbeit ist die promovierte Juristin auch durch ihr gesellschaftlich- politisches Engagement bekannt, die sich u.a. für die Themen Bürgerrechte, Datenschutz und Tierschutz einsetzt. Für die SPD nahm sie an der 13. Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten teil und wurde 2018 zur ehrenamtlichen Verfassungsrichterin des Landes Brandenburg gewählt.

Ihre Romane und Theaterstücke beschäftigen sich häufig mit juristischen oder gesellschaftsanalytischen Inhalten. Durch ihre situativen Beschreibungen und psychologischen Figurenzeichnungen erreicht sie, dass Leser wie Zuschauer sich unmittelbar in die Protagonisten der Handlungen einfühlen können. Schuldfragen oder Fragen nach dem „Warum?“ werden somit individuell in den Köpfen des Publikums entschieden.

Für ihr literarisches Werk wurde Juli Zeh vielfach ausgezeichnet; für ihr gesellschaftspolitisches Engagement erhielt sie 2018 das Bundesverdienstkreuz.

Das Ensemble

Die Ankunftshalle T konnte sich durch ihre Produktionen der vergangenen Jahre als junges Theaterensemble für zeitgenössische deutsche Dramatik in Frankfurt etablieren. In Zusammenarbeit mit der jugend-kultur-kirche sankt peter wurden bereits mehrere Stücke namhafter deutscher Autoren auf die Bühne gebracht:
'Vorher / Nachher' (Roland Schimmelpfennig; 2013), 'Rausch' (Falk Richter; 2016), 'Freie Sicht' (Marius von Mayenburg; 2018) sowie zuletzt 'Ich Tasche' von Felicia Zeller (2019).
Darsteller Alexander Taets von Amerongen, Anne Groß, Antonia Bien, Anuschka Wojciechowski, Jan Heißler, Jana Hingst, Jerome Hemmersbach, Jonah Steinhauer, Karla Alpers, Katharina Rossi, Linn Mann, Nuria Garcia Alba, Patrick Stier, Tillmann Deselaers, Tina Berthold

Regie: Jan Dittgen
Regieassistenz: Gregor Grewers
Support: Ole Bechtold
Produktion: Ankunftshalle T/
jugend-kultur-kirche sankt peter

Aufführungsrechte beim Rowohlt Theater Verlag, Hamburg

Das Kellertheater wird unterstützt von der Stadt Frankfurt am Main (www.kultur-frankfurt.de)